Die Geschichte der stolze Baachejunge, ggr. 398 n.Chr.

Allgemeines zum Verständnis für den werten Leser: Wieso "stolze Baachejunge von 398 n.Chr."? 397 n.Chr. verstarb der Heilige Martin von Tours und wurde im dortigen Dom begraben. Zu seinen Lebzeiten beliebt und geachtet, wurde sein Grab zu einer Wallfahrtsstätte der frühen Christen. Ab wann es die Veehrung der Heiligen Martin im Rheinland gibt, ist nicht bekannt, wahrscheinlich viele Jahrhunderte später. Die stolze Baachejunge (eine von fünf Dernauer Martinsfeuerrotten) legten einfach als Gründungsjahr 398 n.Chr. fest, frei nach dem Motto: So ein populärer Heiliger wie Sankt Martin kann gar nicht lang genug verehrt werden.

1. Die Baache von 398 n.Chr. bis zum Jahre 1969

In früheren Zeiten wurde das Martinsfeuerbrauchtum von den schulpflichtigen Jungen der einzelnen Rotten getragen, die viele Wochen vor dem Martinstag Brennmaterial in unterschiedlicher Form zusammentrugen. Die Verantwortung trug der älteste Junge des ältesten Schuljahrganges, sprich des 8. Schuljahres. Das Einsammeln von Brennmaterial im Ort nannte und nennt man in Dernau "steuere." In früheren Jahren und bis Ende der 70er Jahre war das Steuern noch ergiebig, hatte doch jedes Haus Weinberge, Felder und Vieh, was jede Menge Rebenschanzen, Strohballen, alte Körbe und ähnliches Brennbares bedeutete. Das Martinsfeuer selbst wurde von wenigen Junggesellen aus dem jeweiligen Ortsteil aufgebaut, weil die kleinen Schanzemännchen dafür natürlich nicht kräftig genug waren. Stand 1969 = Mitglieder der Baache: 50 Schanzemännsche und 5 Junggesellen

2. Die Baache ab dem Jahre 1970

Wurde das Junggesellenleben etwa abrupt durch eine Heirat beendet, endete auch und leider immer die "Martinsfeuerkarriere", so dass aus Mangel an Erwachsenen, die in der Lage waren ein großes Feuer aufzubauen, das Brauchtum an sich und speziell die Aufrechterhaltung von fünf Martinsfeuer in Dernau gefährdet war. Es rückten nicht immer genügend junge Junggesellen nach. Auch Brennbares gab es etwa ab 1980 nicht mehr im Ort einzusammeln, wenn man mal von Geldscheinen absieht. Nachdem Dernau in den 60er Jahren das kinderreichste Dorf in Rheinland-Pfalz (angeblich) war, nahm nun die Zahl der Schanzemännsche drastisch ab; zum Glück stieg die der Erwachsenen leicht an, allerdings war die Fluktuation beachtlich. Stand 1972 = Mitglieder der Baache: 5 Schanzemännsche und 15 Erwachsene

3. Die Baache ab dem Jahre 1978

Die Baache hatten in dieser Zeit nicht viele, aber immer die gleichen Männer, die ihre Martinsfeuerkarriere einfach nicht beenden wollten. Von 1970 bis 1980 stammte eine große Anzahl junger Männer, die die fünf Dernauer Martinsfeuer aufbauten, aus dem Kern der damals sehr erfolgreichen Fußballmannschaft des SV Blau-Gelb Dernau. Unter anderem die Baachejunge: Bernd Schreiner, Franz und Walter Trarbach, Herbert Marner, Hans-Dieter Bertram, Manfred Holzem, Werner Schumacher, Reinhard Schreiner, Hermann-Josef Kreuzberg, Karl-Heinz Marquet, sowie der Pattnöcke Hans-Georg Schreiner und der zugezogene Ahrhööde Josef Glasner. Als Beweis für die negativen Auswirkungen von anstrengenden Brauchtumsaktivitäten auf körperliche Fitniss und Ballgefühl sei an dieser Stelle folgendes erwähnt: Im Jahre des Aufstiegs von der A-Klasse in die Bezirksliga verlor der SV Dernau nur ein einziges Heimspiel und zwar beim 1:2 gegen die II. Mannschaft des SC Sinzig, die an Sankt Martin Tabellenletzter war und das auch blieb und abstieg. Es braucht nicht betont zu werden, dass dieses Spiel am Märteskirmessonntag stattfand! Noch heute lümmeln sich etliche der Schuldigen und Beteiligten dieser peinlichen Niederlage an den Martinsfeuern rum. Noch heute ärgert sich der damalige Spielertrainer Josef Glasner (bei den Kiere eingeheiratet) maßlos über diese Niederlage! Die Baache ließen sich jedoch von der Niederlage nicht beeindrucken und begannen in dieser Zeit verstärkt mit der Produktion von Nachwuchs und die Zahl der Schanzemännsche stieg leicht an. Stand 1978 = Mitglieder der Baache: 6 Schanzemännsche und 20 Erwachsene

4. Die stolze Baachejunge ab dem Jahre 1990

Nachdem bei den Ortesse in einem Jahr das Feuer ausgefallen war bzw. das Brennmaterial da wo es lag (das war auf dem alten Bahndamm, etwa da wo heute das Haus Manfred Großgarten steht) einfach angezündet wurde, wurden die Baache aktiver und setzten sich mit den anderen Rotten zwecks Erhaltung des Brauchtums zusammen. Als im Zuge der Flurbereinigung die Kiere auf die Suche nach einem neuen Feuerplatz gingen, um eine Zusammenlegung mit den Pattnöcke zu vermeiden, setzten die Baache erstmals einen Pokal für das beste Feuer aus, welcher dann während einer tollen Fete mit allen Schanzemännsche (auch Mädels und Babys) auf dem alten Sportplatz an die Pattnöcke 1990 verliehen wurde. Ab 1990 etwa stieg die Beteiligung am Martinsfeuerbrauchtum schwunghaft an. Schanzemännsche konnten jetzt auch Schanzeweibchen, die sog. Schanzemädsche werden. Auch tauchten die viele Jahre durch Heirat unterdrückten und verhinderten ehemaligen Junggesellen wieder am Feuer auf. Nicht dass sie geschieden worden wären oder sich bei ihren Frauen langweilten, nein, das Baacheblut kam wieder in Wallung. Es flammte sozusagen in einer Art Selbstentzündung der "Füürches-stöchele-Trieb" wieder auf. Stand 1990 = Mitglieder der Baache: Schanzemännsche 7, Schanzemädsche 3, Erwachsene 28, Selbstendzündete Ehemänner 6!

5. Die stolze Baachejunge ggr. 398 n.Chr. im Jahre 1994

Die allmählich größer werdende Zahl der Baacheschar erforderte eine neue Organisation, Logistik und Infrastruktur. Longo Schreiner und Konni-Diete Bertram erfassten alle Baache, sowie das was sie aßen, tranken und sonst noch am Feuer verbrauchten, kauften das Baachegelände und ein paar drumherumliegende Weinberge und gaben damit auch den anderen vier Rotten im Ort Beispiel und Vorbild. Auch die Baachemädsche wurden im Laufe der Jahre älter, so dass sich in die Baacheschar erwachsene Mädels einreihten, die die Jungs am Nachmittag des Martinstages am Feuer mit Kuchen, Waffeln und anderen Köstlichkeiten verwöhnen. So entstanden die berühmten "Nebenfeuer-Feierlichkeiten" der Baachejunge. Auch wenn das Baachefeuer aufgrund der ungeschützten Lage und häufig widriger Witterungsbedingungen selten gut oder "das Beste" war, so haben die Baache aber immer "Et Bess am Füür", wie der ungewählte Rottenführer Longo Schreiner einmal lapidar feststellte. Der Esel's-Cup der Dernauer Alten Herren wurde 1994 erstmals ausgetragen und vereint seitdem die fünf Rotten auch in einem sportlichem Wettstreit. Stand 1994 = Mitglieder der Baache: Schanzemännsche 13, Schanzemädsche 7, Erwachsene Baachejunge 36, Erwachsene Baachemädsche 15

6. Die stolze Baachejunge onn -mädsche, ggr. 398 n.Chr. im Jahre 1995

Ein richtiger Baachevirus infizierte die Bewohner des Baachereviers in den letzten Jahren, es wurde eine Ehre Baache zu sein und etwas spenden zu dürfen. Die Zahl der Gönner, Freunde und Helfer stieg nochmals bedrohlich an. Werden wir sie auch alle satt kriegen fürchteten schon die Organisatioren? Sicherheitshalber wurden in Anlehnung an die lokale Küche des Ahrtales zwei neue Leckerchen erfunden: "Federkuchen" und "Zwiebelwein"! Viele Baache reisten von weit her zum Martinstag an. Die Rotte führte eine eigene Kopfbedeckung ein, ihr Chef Longo erhielt gar einen feuerfesten Overall mit Beschriftung. Erstmal trat eine komplette "Baache-Big-Band" mit "Jitta, Quötsch onn Tromm" auf. Eigens hierzu wurde ein Podium im Feuerbock gezimmert. Stand 1995 = Mitglieder der Baache: Schanzemännsche 17, Schanzemädsche 10, Erwachsene Baachejunge 71, Erwachsene Baachemädsche 19, 3-köpfige Big-Band

7. Die stolze Baachejunge onn -mädsche, ggr. 398 n.Chr. im Jahre 1996

Der Esel's-Cup wird fortgeführt und entwickelt sich zu einer beliebten und festen Veranstaltung in der Gemeinde. Der Umzug lockt sogar das Fernsehen nach Dernau. Das Martinsbrauchtum profitiert außerordentlich von diesem Fußballfest. Der Esel's-Cup-Umzug ist grad so schön wie der Sankt-Martins-Fackelzug, der einzige Unterschied ist, daß im ersteren ein Esel mitgeht und das Ganze im Hellen stattfindet, beim Martinszug geht ein Pferd mit und es ist dunkel. Die Musikantentruppe der Baache wird um ein Becken erweitert, das Manfred Liersch schlägt. Stand 1996 = Mitglieder der Baache: Schanzemännsche 19, Schanzemädsche 12, Erwachs. Baachejunge 73, Erwachs. Baachemädsche 20, Betriebssportgemeinschaft Fußballmannschaft 16

8. Die stolze Baachejunge onn -mädsche, ggr. 398 n.Chr. im Jubiläumsjahr 1998

Die Baache feiern ihr 1600jähriges Jubiläum. Sie erzeugen eigenen Wein, stellen zwei Schriftbilder auf, haben eine mehrbändige Baachechronik, die begehrte BAACHECARD, eine eigene Hymne und für Notfälle auch noch eine Litanei. Sie veranstalten eine Jubiläumsdisco und einen historischen Trinkzug. Die Wildsau für das Gulasch konnte auf baacheeigenem Jagdgrund erlegt werden. Kurz: Sie befinden sich auf einem brauchtumsmäßigen Höhenflug. Stand 1998 = Mitglieder der Baache: 112 Erwachsene und 29 Minderjährige unter ihnen Peter und Niclas Müller zusammen schwache vier Jahre alt! Und es werden immer mehr!

9. Die stolze Baachejunge onn -mädsche, ggr. 398 n.Chr. im Jahre 1999

Die Baache sind im Internet, das war abzusehen. So gelangt uraltes Brauchtum einer alten Gemeinde im Ahrtal (Germany) in die ganze Welt. Internet-Adresse: www.baache.stolz.de eMail: stolze.baache@de.online.de Seit einigen Jahren besucht uns der Sankt-Martin-Darsteller Günter Müller (allerdings ohne Pferd) am Feuer und stellt dort mit Longo Schreiner die berühmte Szene mit der Mantelteilung dar. Günter Müller hat bereits goldenes "Sankt-Martins-Darsteller-Jubiläum" gefeiert. Es sitzt seit 50 Jahren und das immer noch fest im Sattel. Er wurde zum Ehrenbaache ernannt. Stand 1999 = Mitglieder der Baache: 111 Erwachsene, 34 Kinder und 1 Ehrenbaache

10. Die stolze Baachejunge onn -mädsche, ggr. 398 n.Chr. im Jahre 2000

Die Baache sind "jahrzweitausendfähig", denn auf dem Gebiet der Baachejunge wird ein Granitstein mit der Inschrift "CCCXVIII" gefunden. Archäologen bestätigen das Unglaubliche: Es ist die Zahl 398 in römischen Ziffern. Das war der letzte fehlende Beweis: Die Römer gründeten 398 n.Chr. zuerst die Rotte der stolze Baachejunge, nachdem sie sich im mittleren und schönsten Teil des Ahrtales angesiedelt hatten, nannten den Weiler Dernau und die damals größte Straße daselbst "Römerstraße", in der sie alljährlich einen Sankt-Martins-Markt abhielten. Nach über 1600 Jahren Unterbrechung findet ein solcher Markt im Jahre 2000 wieder statt. Die Baachejunge besuchen den Sankt-Martins-Markt um die Pfarrkirche in Dernau selbstverständlich. Sie zeigen stolz den Stein herum und bringen als Ständchen verschiedene ihrer jahrhundertealten Martinsweisen dar. Longo Schreiner führt nochmal (als vielbeklatschten Höhepunkt) die Szene von der Mantelteilung des römischen Soldaten Martin mit einem armen Bettler in der alten Remise des Winzervereins auf. Stand 2000 = Über 600 Bewohner der Baacherotte jeglichen Alters und Geschlechts besuchen den Dernauer Martinsmarkt und erleben den Auftritt der stolze Baachejunge ggr. 398 n.Chr. von den Römern.

11. Die stolze Baachejunge onn -mädsche, ggr. 398 n.Chr. im Jahre 2001

Zum zweitenmal findet ein Martinsmarkt statt, wieder ein großer Erfolg für die Gemeinde Dernau und den Martinstag. Im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen diesmal die Martinsfeuerrotten. Bernd Schreiner und das Organisationskomitee des Marktes haben eine interessante Fotoausstellung zusammengetragen. Bilder vom Martinszug aus den 50er Jahren können von den Besuchern im alten Winzerverein bestaunt werden. Die Baachejunge haben unter der Führung von Herbert Marner ein System entwickelt, während des Abbrennes das Martinsfeuer einmal vollautomatisch zu drehen, damit neue (Frisch) Luft zugeführt wird und das Feuer heller und schöner als je zuvor erstrahlt. Zu Martinsmarkteröffnung sind vom Ortsbürgermeister die Rottenführer eingeladen worden. Die Baachejunge verfügen über einen eigenen Fahrdienst, der Longo und Connie-Diete zur Eröffnungszeromonie hinbringt. Nachdem die beiden den Markt abgeschritten hatten, wurden sie für die Nebenfeuerfeierlichkeiten wieder abgeholt und auf Ohnertsweg Nr. 1 gebracht. Mehr Brauchtum geht nun wirklich nicht mehr.

Aufgezeichnet zu Sankt Martin 2002 H.D.Bertram